Ein Start ins neue Schuljahr


Es war schön, nach den Ferien alle Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen. Nach der ersten Gesamtkonferenz fand das traditionelle Grillen mit dem Kollegium statt, bei dem die neuen Kolleg*innen die Möglichkeit haben, sich vorzustellen und in ungezwungener Atmosphäre mit den alteingesessenen Kolleg*innen ins Gespräch zu kommen.
Das Problem war nur, dass es in diesem Jahr nur eine neue Kollegin im Quereinstieg war, die erstmalig an unserem Grillen teilnahm. Als Ersatz für die sechs Kolleginnen, die uns zum Ende des vergangenen Schuljahres verlassen haben, nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“! Warum verlassen Lehrer*innen die Integrierte Sekundarschule (ISS) in Berlin?
Hier Gründe aus dem vergangenen Schuljahr. Eine Kollegin ist in ihren wohlverdienten Ruhestand gegangen, dies war absehbar. Eine Kollegin, die ehemals über den Quereinstieg in den Lehrerberuf kam, verließ diesen wieder, weil sie mit den verhaltensoriginellen Schüler*innen und der starken Heterogenität nicht mehr zurechtkam. Ein weiterer Quereinsteiger, wohnhaft in Brandenburg, verließ unsere Schule wohl nicht nur wegen des Fahrweges von täglich zwei Stunden, sondern auch wegen der Verbeamtung im Bundesland Brandenburg, in dem Berlin als verbeamtungsfreie Insel liegt. Eine weitere Quereinsteigerin, von Hause aus Naturwissenschaftlerin, wollte „mal wieder fachlich“ arbeiten und verließ uns in Richtung Gymnasium. Ähnlich auch eine Kollegin, die uns an eine ISS mit gymnasialer Oberstufe verließ. Und letztlich zog es eine Kollegin vor, zukünftig an einer Grundschule zu arbeiten.
Dies sind sicher alles nachvollziehbare Gründe für den Wechsel an eine andere Schule. Das Problem ist nur, es kommen nicht ausreichend Lehrer*innen und stopfen die entstandenen Lücken.
Trotz tagelangem Sitzen in diversen Castings, ob Laufbahnbewerber-Casting oder Quereinsteiger-Casting, es bleiben ungestopfte Löcher. Selbst zwei von drei geworbenen Quereinsteiger*innen kamen an unserer Schule nicht an, da sie sich aus unterschiedlichsten Gründen dann doch umentschieden haben.
Diese unsichere Personalsituation führte letztlich dazu, dass unsere Konrektorin die Stundenpläne in den Ferien mehrmals verändern musste. 
Die Baustelle der Sanierungsmaßnahmen in der Schule ging in den Ferien auch nicht so recht voran. Aber wir haben ja die Klassenraum-Container auf dem Schulhof, in denen die Schüler*innen lernen können. Auch wenn sie dort den hohen Sommertemperaturen hilflos ausgeliefert sind, da auch ein dauerhaftes Lüften aufgrund des Fluglärms in der Einflugschneise zum Flughafen Tegel nicht möglich ist.
Doch dann war es geschafft, die Pläne waren fertig und trotz einer Personaldeckung von nur 92% waren sogar Sprachförderstunden, Teilungsunterricht und Doppelsteckung im Integrationsbereich eingeplant. Zwar weniger als gefordert, doch es gab sie. Die vier neuen siebten Klassen wurden eingeschult und das Schuljahr konnte starten. Auch die neuen Schüler*innen für die Willkommensklasse kamen an und bezogen ihr Container-Klassenzimmer. Jedoch war die Entspannung nur von kurzer Dauer. Am zweiten Schultag erfuhr ich als Schulleiter telefonisch, dass ich in der kommenden Woche eine fünfte 8. Klasse einrichten müsse. Dafür sollten die Willkommensklassen-Schüler*innen auf andere Schulen im Bezirk aufgeteilt werden. Die Lehrkraft der Willkommensklasse konnte ich zum Glück an der Schule behalten. Das Problem ist nur, dass diese Kollegin im Seiteneinstieg als DaZ-Lehrkraft für geflüchtete junge Menschen eingestellt wurde, sie keine pädagogische Ausbildung besitzt und neben der DaZ-Ausbildung über keinerlei andere Fachausbildung verfügt. Kurz, als Lehrerin im Regelunterricht ist sie nur sehr begrenzt einsetzbar und auch für diese Tätigkeit extrem unterbezahlt.
Es gab vorab keinerlei Absprachen, Hinweise oder Vorwarnungen, sodass nicht nur mein Kollegium, sondern auch ich als Schulleiter von dieser Veränderung kalt erwischt wurde. Woher jetzt die Kolleg*innen für diese Klasse nehmen, wo Stunden streichen? Wer übernimmt die Klassenleitung, wie wird die Raumsituation geklärt? Viele Fragen, die nach Antworten suchen und insbesondere der Konrektorin viel Planungsgeschick und vor allem Zeit abfordern. Besonders ärgerlich ist, dass die Schulaufsicht vor den Ferien immer die Ferienerreichbarkeit der Schulleitung einfordert, um einen Vertreter der Schule bei besonders wichtigen Anliegen in den Ferien erreichen zu können. Jedoch hielt wohl niemand von der Schulaufsicht oder dem Schulamt das Einrichten einer weiteren Klasse für informationswürdig.
Aufgrund meiner berechtigten Unmutsäußerung gegenüber der Schulaufsicht wurde ich von jetzt auf gleich zu derselben eingeladen. Dort erklärte man mir die Notwendigkeit dieser Maßnahme wegen allgemeinen Platzmangels an den bezirklichen Schulen und der hohen Anzahl von Rückläufern aus den Gymnasien, die dort das Probejahr nicht bestanden haben, als auch aufgrund diverser Zuzüge nach Berlin.
Und auch diese Information entsprach nicht der Realität. Für diese neue achte Klasse wurden mir nur zwei Zuzüge zugewiesen, der Rest der Schülerschaft waren Schüler*innen, die von einer Willkommensklasse in eine Regelklasse wechseln mussten. Von einer Integration von Willkommensschülern mit Sprachdefiziten in eine Regelklasse mit dem Ziel, hier die deutsche Sprache besser zu lernen und mit der deutschen Kultur in Berührung zu kommen, kann hier wohl nicht die Rede sein.
Fazit: Neben den schon bestehenden Problemen an dieser Brennpunktschule, wie fehlendem, pädagogisch ausgebildeten Personal, starker Heterogenität der Schülerschaft, zunehmender Inklusion, zu großen Klassen, einem Anteil von Schülern nicht deutscher Herkunftssprache (ndH) von 85%, einer lmb-Quote (lernmittelbefreite Schüler) von 73%, andauernden Sanierungsarbeiten und damit verbundener Raumknappheit sowie einer personellen Ausstattung von 92% (entspricht ca. 4 fehlenden Lehrerstellen) wurde uns ein weiteres Problem geschaffen. Eine Klasse von Schüler*innen mit geringen Deutschkenntnissen, die, statt in Regelklassen integriert zu werden, in dieser Klasse separiert beschult werden müssen. Eine Situation, die weder für die Schüler*innen noch die Lehrer*innen ein entspanntes Lernen ermöglicht und weiter an den Kraftreserven eines jeden Mitarbeiters in der Schule zehrt. Wie lange halten Berliner Lehrer*innen solche hier geschilderten oder ähnliche Zustände noch aus? 
H. N.

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